Ziomkostwo Prus Wschodnich - Landsmannschaft Ostpreußen e.V.
 
Ostern: Vom Schmackostern

Ostern: Vom Schmackostern

Ostern: Manchmal war nach langem Winter gerade erst der Schnee getaut, gerade erst das Eis geschmolzen. In anderen Jahren hatte der plötzliche ostpreußische Frühling schon begonnen; Kinder liefen barfuß über sonnenbeschienenes Gras, suchten buntgefärbte Ostereier zwischen Sternblümchen und Anemonen, im Ausflussrohr der trockenen Dachrinne oder in der ausgesägten Tulpe der Fensterladen. Die ermländischen Hügel über den Tälern der Alle, der Walsch, der Passarge wurden in der Morgendämmerung bestiegen, alt und jung waren auf dem Weg, um in der aufgehenden Sonne das Osterlamm springen zu sehen.

Von Gründonnerstag erzählt eine Einwohnerin von Mehlsack:

„Da hatten wir uns einen Kringel gekauft, und denn wurde gezogen, und wer das größte Stück hatte, der konnte sich was wünschen, und der Wunsch sollte dann in Erfüllung gehen.“

Auf dem Lande wurde natürlich nur selbst gebacken. Frau Kausch aus der Insterburger Niederung zwischen Pregel und Memel meinte kurz und bündig:

„Ja, Gründonnerstagskringel hatten wir auch. Der wurde übers ganze große Fladenblech ausgelegt, und dann wurde er mit Birkengrün ausgeschmückt und kam mit dem Blech auf den Tisch. Nachdem – „opgeschneede on alle Mann ran“! –

Frau Radszun aus der schönen Gegend um die Angerapp, dem Fluss, der das Wasser der masurischen Seen zum Pregel hin leitet, erzählt vom Osterwasserholen, das sie gern mitmachte. Sie meinte aber, es sei nichts in Erfüllung gegangen, weil sie nicht daran glaubte:

„Und einmal, da hatten wir gerade Besuch und gingen denn morgens unsere Freundin abholen. Vor Sonnenaufgang musste das gemacht werden, sonst hat das sowieso keine Gültigkeit. Es muss ja nun vom fließenden Wasser geholt werden, aus dem fließenden Bach, sonst hilft es auch nichts. Na, und unser Ragschd ging ja nun, wenn ich mich nicht ganz in der Himmelrichtung irr‘, von Osten nach Westen. Da gingen wir nun, und wie wir an die Stelle kamen, wo es am schönsten und am klarsten ist, da sahen wir schon zwei junge Mädchen, die wollten den auch Osterwasser schöpfen. Na, da sagt‘ ich denn: „Warum solle dee den jetzt schon Glück häbbe? Dee will wi moal anrede, dee motte noch e Joahr warte. Dee sinn veel to jung tom jetzt schon e krumme Arm moake, met eenem spazeere gohne.“ Und gesagt, getan. Wir kamen freudig lachend heran, ja, und die konnten sich auch nicht bergen, die lachten mit. Na, ich sagte: „Ny häbb ju jelacht, – nützt nuscht, mott ju noch e Joahr warte.“

Und nun vom Schmackostern, das wie das Osterwasserholen in ganz Ostpreußen üblich war. Frau Kausch erzählt aus ihrer Kindheit:

„Es war schon im März, da hatten wir uns Osterruten geschnitten. Birken und auch Weiden, und die standen denn in der warmen Küch‘, damit sie schon anfingen zu sprießen. Denn zu Ostern muss auch das erste Grün da sein. Und wir Kinder hatten uns noch besonders große Wischer gehauen, denn wir gingen schmackostern. Ich weiß noch: einmal, da war ich so’n Marjellchen von sieben, acht Jahren, da gingen wir mit den größeren Mädchen spazieren, und da sagten die: Weet ju, wat? Ju koenne moal hier ring ohne, dem Förschter schmackostere!“ Herrje, ich wurd‘ ganz puterrot, aber ich sagte: „Goh man rin!“ Na, und da war die Försterfrau: „Joa“, sagte die: „dat es fein, datt ju kome! Onse jonge Männer sind noch alle inne Bedd.“ Da war so’n ganz großer Haufen junge Kerls, und wie ich da reingeh‘ und fang‘ die an zu schmackostern – wie ich den ersten zweiten schon schmackostert hatte – Zudeck auf und immer mit der Rute auf die nackten Füße – da sind sie gesprungen! Und quiekten und schrien! Aber den vierten und fünften kam ich schon nicht mehr heran, die waren schon alle draußen und sagten, ich soll‘ sie bloß in Ruh‘ lassen, sie würden mir schon mein Teil geben. Und dann kriegte ich Dittchen und Ostereier, ja, auch Zuckerwaren: Keichelchen und Osterhasen. Auch den alten Förster schmackosterte ich noch zu guter Letzt. Der ließ sich das so recht gefallen. Er sagte, das frischt die Lebensgeister so richtig auf.

Unser Spruch war immer:

„Oster, schmackoster, bunt Oster,

fier Eier, Stück Speck,

vom Koke de Eck,

eh’r goh wi nicht weg!“

Frau Laging erzählt von der Osterwoche zwischen Tilsit und Ragnit. Wie sie dort jeden Gründonnerstag ihre Blumenstauden umpflanzten und wussten, dass die Blumen dann besonders gut gediehen, wie sie Karfreitag und Ostersonnabend nur das Nötigste für Menschen und Tier verrichteten, mit glattgekämmten Zöpfen zur Kirche fuhren. Zuletzt vom Schmackostern:

„Manchmal kamen die Kinder schon sehr früh, und wir gingen dann zu unseren Nachbarn. Es kam vor, dass wir gar keine Birkensträucher fertiggemacht hatten. Dann gingen wir in den Garten und schnitten vom Stachelbeerstrauch ab, und das hat gespickt! Und dann schrien sie: „Loat mi bloß seen, loat mi bloß senn! Du kriegst so veel Eier on so veel Koke on so veel Speck!“ Das hat uns den größten Spaß gemacht.“

Was hatte es wohl auf sich mit dem geheimnisvollen Osterwasser, dem nicht immer angenehmen „Schmackostern“?

Dass gerade um die Osterzeit dem Wasser heilsame Kräfte zugesprochen wurden, zeigt der Osterwasserbrauch. Er forderte, dass man sich ganz der Wirkung des vom Eise befreiten, aller schädlichen Keime baren Wassers hingab. Die Mädchen, die bei Sonnenaufgang zum fließenden Gewässer gingen, weder sprechen noch lachen noch sich umkucken durften, sahen beim Wasserschöpfen im Fluss oder Bach das Bild dessen, der noch im gleichen Jahr um sie freite. Dann, wenn man mit vollem Tonkrug zu Hause angelangt war, wusch man sich mit dem Osterwasser, das Gesundheit und Schönheit verlieh.

Allen, die danach noch in den Betten lagen, frischte dann die Osterrutte „die Lebensgeister auf“. Der alte Förster wusste das besser als die jungen Burschen, die aus den Betten sprangen und ihre Gaben austeilten, ohne die heilsamen Schläge empfangen zu haben. Belohnung mag es ursprünglich gewiss nicht gegeben haben. Erst als sie üblich wurden, verlegte man den Brauch vom Ostersonntag auf Ostermontag, damit man von seinen Eiern schon etwas abgeben konnte.

Quelle: „Vom Festefeiern in Ostpreußen“ von Hedwig von Lölhöffel-Tharau, Hamburg 1987