Hier im Ermland, rings um die roten Burgen und Kirchen von Rößel, Bischofsburg, Heilsberg, Wormditt, Guttstadt bis ans Haff um Braunsberg und Frauenburg war Ostern das größte Fest für die dortige katholische Bevölkerung. Dennoch hatten sich uralte heidnische Bräuche aus der Altpreußenzeit oder aus den Herkunftsländern der einstigen Zugewanderten mit christlichen verflochten. So erzählt unser Ermländer, Landsmann Lilienweiß aus Arnsdorf:
„Na ja, in der Karwoch‘ ging’s ja manchmal noch ein bisschen lustig daher. Und das fing an mit dem Krummittwoch. Da gab’s so allerhand „Spoßches“. Das war mit vielem Lachen verbunden. Da kriegte denn jeder, wenn er nicht aufpasste, einen Eimer voll Wasser über’n Kopf, dass er erschrak und versuchte, so schnell wie möglich zur Flucht zu kommen. Wir nannten das zu jener Zeit „dat Rosemuckejoage“. Auf die Art wurde denn mancher angeschmiert. Da weiße ich noch: da waren wir im Viehstall, da war die lange Leiter, die auf den Schoppen ging, und die Knechte, die hatten sich schon auf den Schoppen vorausgemacht, hatten Eimer voll Wasser mitgenommen, und da wurde tüchtig herumgehaust, dunkel gemacht, – und an der Leiter, da stand eine von den Mädchen – es war Martha – und die musste die Schürz‘ aufhalten und da die Rasemucken auffangen. Und dann auf einmal, da ging es los: „Pass off, Martha, nu komme se, nu komme se –“ auf einmal da kam ein Eimer Wasser herab, und da war die Martha ganz begossen. Und die schrie natürlich tüchtig und fluchte, und dann ging das immer weiter.“
Wer sind die spukhaften Rasemucken?
Ruth Geede schrieb im „Ostpreußenblatt“:
„Lewe Landslied,
meine Mutter hat mir als Kind von den Rasemucken erzählt, den kleinen Geistern, die im Moor leben. Nun könnte man eine ganze Abhandlung über diese Unholde schreiben, von denen in ganz Ostpreußen erzählt wurde, denn ihr Treiben und Aussehen ist ebenso unterschiedlich wie ihr Name – Rosebock, Rasemoch, Rosemack, Rasemuck –, aber immer ist es ein Spukwesen, das viel Unsinn und Späße macht. Doch nun hörte ich von einer älteren Ostpreußin, die auch aus dem nordöstlichen Teil unserer Heimat stammt wie meine Mutter, daß sie aus ihrer Kindheit den Ausdruck „Rosmucken“ für – Sommersprossen kennt! Vielleicht, weil die so lustig wirken, wenn sie auf der Stupsnase eines Kindes tanzen.“
Sind Rasemucken nur eine Bezeichnung für etwas nicht Vorhandenes, was zum Anführen Uneingeweihter diente? Stelle man sich etwas Bestimmtes darunter vor? Menschen oder Tiere? Wichtelmännchen wie die „Barstucken“ (altpr. Endbetont!) unter der Schwelle des Hauses oder wie die flammenden „Sperkukse“ in Ofenloch? In den einzelnen Gegenden Ostpreußens hat man sich wohl ganz verschiedene Vorstellungen von ihnen gemacht. Im Oberland um die Seen herum zwischen den Städten Pr. Holland, Mohrungen, Osterode bis ins Westpreußische hinein hießen sie „Rosbock“ oder „Roschbock“ (anfangsbetont). Man stellte sich keine Reh- oder Ziegenböcke darunter vor. Dort fand das „Roschbockjagen“ in der Neujahrsnacht statt, anderswo auch Fastnacht. Im Oberland und im Ermland, wo schlesische und andere oberdeutsche Dialekte gesprochen wurden, kann das Wort nur ein deutschstämmiges sein und „Rosebock“ heißen, verwandt mit „Rosenmontag“, dem „Rasenmontag“.
In Masuren dem großen Seenland zwischen Lyck und Neidenburg, wo die Nachkommen der masovischen Einwanderten trotz ihrer Zugehörigkeit zu Preußen und trotz ihres evangelischen Glaubens den slawischen Dialekt bewahrt hatten, heißt das Wort „Rosemak“ oder „Rosemock“ (endbetont!) und bedeutet Bösewicht, Vielfraß, Unhold.
Im einstmals litauisch besiedelten nördlichen Teil Ostpreußens wie auch in Teilen Masurens wurde es als Schimpfwort gebraucht. Die Wortstämme des „Rosemock“ bedeuten „auseinandertreiben“ und das altslawische Wort „smok“ einen Hausgeist, eine Art Rumpelstilz, der Lärm macht und alles auseinanderbringt, oder auch einen Drachen, ein Fabeltier. Einen Geist auf dem Dachboden, unserer „Lucht“, gibt es auch in anderen Gegenden Deutschlands. v
Das Austreiben des Rasemucks war also früher ein selbstständiger Brauch, verwandt mit dem Winteraustreiben oder dem „Judasjagen“ zur Osterzeit in anderen Teilen Deutschlands. Später erst wurde es zur Neckerei, verbunden mit dem Wasserguss.
Quelle: „Vom Festefeiern in Ostpreußen“ von Hedwig von Lölhöffel-Tharau, Hamburg 1987