Vom Freitag, dem 11., bis Sonntag, dem 13. Mai, gab es eine Volkstanz-Werkstatt für Kinder und Jugendliche der deutschen Minderheit in Ermland und Masuren. Organisiert und finanziert wurde sie von der Landsmannschaft Ostpreußen. Mitorganisatorin war die deutsche Gesellschaft in Bartenstein.
Wenn man von Bartenstein nach Rastenburg fährt, kommt man hinter dem letzten Gewerbegebiet der Stadt an eine kleine Stichstraße, die von der Landstraße links abzweigt. Ein hölzernes Hinweisschild zeigt in Richtung des in geringer Entfernung auftauchenden agrotouristischen Hofs „Dworek Dębówko“. Es geht noch eine Allee entlang und durch ein Tor, dann ist man am Ziel.
Hier sollte, so hat mir Edyta Gładkowska vom Büro der Landsmannschaft Ostpreußen in Allenstein erzählt, eine Volkstanz-Werkstatt für junge Menschen der deutschen Minderheit stattfinden. Die Idee dazu entstand bei ihren Treffen mit verschiedenen deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren. „Immer wieder kam der Wunsch, etwas mit Tanz zu organisieren. Und weil die Tanzgruppe „Saga“ aus Bartenstein am meisten profitieren sollte, bot sich ein Seminarort dort in der Nähe an“, erklärt sie.
Am Ende wurden es mit etwas Werbung 23 Kinder und Jugendliche von 10 bis über 20 Jahren aus Landsberg, Heilsberg und Bartenstein, die an der Werkstatt teilnehmen. Problematischer gestaltete sich die Suche nach einer Werkstattleiterin. Die meisten Personen, die sich mit ostpreußischen Tänzen auskennen, sind in Deutschland und häufig nicht in der Lage, schnell einmal für ein Wochenende nach Ostpreußen zu reisen. Doch Edyta Gładkowska wurde noch fündig; und so sitzen und liegen die jungen Menschen auf dem Parkettboden eines großen Saals, der sonst für verschiedene Feste genutzt wird. Die energische Stimme einer Frau zählt den Takt, ihr Kollege begleitet die Übungen am Keyboard mit Stummfilmmusik. Sämtliche Gliedmaßen werden gestreckt und Muskeln gelockert. Was an Filme wie „High School Musical“ erinnert, ist für die jungen Mitglieder der deutschen Minderheit in Ermland und Masuren lediglich das Aufwärmprogramm zur Tanzeinheit am Nachmittag.
Die Dame mit der energischen Stimme ist Agnieszka Krupińska. Sie arbeitet im Alltag in einem Kindergarten in Allenstein, betreut eine Krabbelgruppe in Osterode und entwirft Choreographien für die Tanzgruppe „Warmia“ aus Allenstein. Dort tanzt sie selber seit ihrer Kindheit und gibt jetzt ihr Wissen und ihre Erfahrung weiter. Für Edyta Gładkowska ist die Leiterin der Werkstatt ein Glücksgriff: „Sie ist jung, sie arbeitet mit Kindern, versteht sich sehr gut mit ihnen. Ich denke, sie haben eine Menge Spaß miteinander.“
Beim Aufwärmen am Samstag Nachmittag wird dennoch häufig geseufzt. Da zwicken bei den Teilnehmern wohl die Muskeln. Immerhin hat Agnieszka Krupińska schon beinahe das gesamte geplante Programm an Tänzen durchgeprobt: Walzer, Rheinländer (oder auf polnisch Rainlendry) und Figurentänze wie den „Pofajdok“. Ein Pofajdok ist übrigens in etwa ein wenig verantwortungsbewusster, unreifer junger Mann mit einer gewissen Bauernschläue und kommt in der Gegend um Ortelsburg vor. Von dort stammt auch der Spruch, der die Grundlage des Tanzes bildet.
Der Fokus liegt auf ermländischen Tänzen und da gibt es wirklich Grund für Muskelkater. Danuta Niewęgłowska, die Leiterin von „Saga“, erklärt: „Die ermländischen Tänze, ob deutscher oder polnischer Herkunft, haben oft gleiche Schritte, und die Musik dazu klingt ähnlich. Nur sind die polnischen schneller.“ Karolina Kuńczak von der Tanzgruppe „Saga“ widerspricht dennoch: „Für mich als langjährige Tänzerin war das nicht schlimm. Es gibt zwar schwierige Übungen, aber Auftritte in wollenen Trachten sind eine größere Belastung.“ Anders sehen es nur gelegentlich tanzende Personen wie Adrian Mańka. „Man spürt am zweiten Tag nach einer kurzen Nacht schon, dass man etwas getan hat“, meint er lapidar. Und da auch Agniezska Krupińska die Seufzer bemerkt hat, fragt sie nach dem Tanzspiel „Glina“ vorsichtig: „Tut euch etwas weh?“ und bekommt von einem Teilnehmer scherzhaft die Antwort: „Alles!“
Dennoch ist allein schon beim Zuschauen zu merken, dass die jungen Tänzer sich in der Atmosphäre wohlfühlen, dass es ihnen Spaß macht. Darauf kommt es an, denn dann besteht eine gute Chance, dass sie das theoretische und praktische Wissen über die Tänze und vor allem positive Erinnerungen an dieses Wochenende mitnehmen. Bald wieder? Bald wieder!
Uwe Hahnkamp