Im Februar 2018 waren die Bauarbeiter bei Kanalisierungsarbeiten hinter dem Polizeipräsidium der Woiwodschaft Ermland und Masuren in der heutigen Partyzantów Straße in Allenstein, früher Bahnhofstraße, auf sterbliche Überreste gestoßen. Daraufhin wurden die weiteren Arbeiten sofort eingestellt und eine archäologische Untersuchung in Auftrag gegeben.
Diese Untersuchung ergab, dass die gefundenen Gebeine vom evangelischen Friedhof stammten, der ab 1873 als Begräbnisstätte genutzt worden war. Die letzten Bestattungen fanden 1947 statt. In den 60er Jahren wurden drei evangelische Friedhöfe und ein jüdischer, sowie zwei Friedhöfe des Ersten Weltkrieges für deutsche und russische Soldaten mit Beschluss vom 17. Mai 1962 geschleift. Die Grabmale und Kreuze des evangelischen Friedhofs wurden entfernt und auf dem Gelände Garagen aufgestellt. Die Leichen wurden nicht exhumiert, sie blieben in der Erde.
Laut wurde es um den Friedhof erst im Sommer, als der Historiker Rafał Bętkowski mit Teilnehmern eines historischen Spaziergangs auf die sterblichen Überreste stieß. Als die Gruppe sich dem Gelände des Friedhofes näherte, sah sie menschliche Knochen und Schädeln. In den Gruben lagen leere Flaschen. Laut Passanten konnte man menschliche Überreste auf der gesamten Partyzantów Str. finden.
Nach Angaben des Allensteiner Rathauses hatte der Bauunternehmer, der die Leitungen verlegen sollte, keine Kenntnis von dem Friedhof. Die Stadt hielt es für die beste Lösung die sterblichen Überreste zu bergen und an einem anderen Ort beizusetzen.
Die Situation um den evangelischen Friedhof sorgte in verschiedenen Gremien für Empörung. Im August beantragte der Verein „Święta Warmia“ (Heiliges Ermland) beim Woiwodschaftsdenkmalpfleger den evangelischen Friedhof in der Partyzantów Straße ins Denkmalregister einzutragen. Die Mitglieder des Vereins sind gegen Exhumierung und Umbettung. Sie forderten dem Friedhof die Würde und den Schutz zu geben, den andere Begräbnisstätten auch genießen.
Auf dem evangelischen Friedhof in der früheren Bahnhofstrasse wurden herausragende Persönlichkeiten der Stadt beigesetzt wie Oskar Belian oder Karl Roensch. Diese Namen sagen den heutigen Einwohner von Allenstein wahrscheinlich nichts mehr. Keine Straße ist nach ihnen benannt, sie haben kein Denkmal und keine Gedenktafel. Geht man heute der Friedhofgasse entlang, sieht man Garagen mit Graffitti „Polska dla Polaków“ (Polen für Polen). Da stellt sich die Frage nach einer Erinnerungskultur. Wie kann man diese in Städten aufbauen, deren Blut ausgetauscht wurde, deren Vorkriegseinwohner ihre Heimat verlassen mussten und an deren Stelle „neue Einwohner“ mit anderer Mentalität und mit anderer Geschichtsperspektive kamen?
Allensteins Stadtpräsident Piotr Grzymowicz verhandelte mit dem Verein „Święta Warmia“ und mit der evangelisch-augsburgischen Gemeinde in Allenstein über die Zukunft des Friedhofes. Ende 2018 wurde die lang erwartete Vereinbarung über den evangelische Friedhof getroffen. Die Bauarbeiten sollen wieder aufgenommen werden, aber der Friedhof und die dort begrabenen Personen sollen entsprechend gewürdigt sein.
Die Stadt hat alle Forderungen des Vereins und der evangelisch-augsburgischen Gemeinde akzeptiert und verpflichtete sich auch eine Recherche im Archiv zu finanzieren, um die Informationen über die auf dem Friedhof begrabenen Personen zu bekommen. Mit Beschaffung der Angaben über den Bestattungsort beschäftigt sich auch die Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit zusammen mit der evangelisch-augsburgischen Gemeinde in Allenstein. Es soll auch eine Internetseite in polnischer, englischer, deutscher und russischer Sprache entstehen, die die Geschichte des Friedhofs und die Biografien der dort Bestatteten darstellt. Es ist geplant ein Mausoleum oder eine andere Art der Erinnerungsstätte auf dem Friedhof zu bauen. Der Verein „Święta Warmia“ soll den Antrag bei dem Woiwodschaftsdenkmalpfleger auf Eintrag des Friedhofes in Denkmalregister zurücknehmen.
Der Präsident von Allenstein ist überzeugt, dass die Vereinbarung der beste Weg sei, um die Modernisierung der Partyzantów Straße abzuschließen. „Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, mit der evangelisch-augsburgischen Gemeinde in Allenstein und mit dem Verein „Święta Warmia“ zu verständigen. „, schrieb er auf seiner Internetseite.
Die Protestanten in Allenstein waren eine Minderheit, aber haben sich um Geschichte der Stadt verdient gemacht. Um der Toten zu gedenken und damit die Menschen, die auf dem evangelischen Friedhof in der Bahnhofstrasse (Partyzantów) beigesetzt wurden, nicht vergessen, sollten zumindestens einige Namen erwähnt werden:
Oskar Belian (1832 – 1918) war Allensteiner Bürgermeister, dann Oberbürgermeister. Während seiner Amtszeit 1877-1908 erreichte Allenstein die Neuzeit. Unter Verwaltung von Belian wurde in Allenstein ein Eisenbahnknotenpunkt. Die Irren-, Heil- und Pflegeanstalt wurde erbaut; das Schlachthaus, die Gasanstalt, das Wasserwerk und die Kanalisation gebaut. Zu Beginn seiner Amtszeit war Allenstein eine Kleinstadt von etwa 6.400 Einwohnern. Bei seinem Scheiden aus dem Amt zählte die Stadt über 30.000 Einwohner. Die Stadt ehrte ihren Oberbürgermeister, indem sie den im Herzen der Stadt am Hohen Tor gelegenen Platz nach ihm benannte. Nach seinem Ausscheiden wurde er zum Ehrenbürger der Stadt ernannt.
Karl Roensch (1859-1921) war Stadtverordnetenvorsteher und engster Mitarbeiter von Belian. Seiner Initiative und Arbeit verdankte Allenstein u.a. den Bau der Wasserleitung und Kanalisation, des Elektrizitätswerks und der Straßenbahn, der Realschule sowie des Neuen Rathauses. 1915 zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. Im Januar 2003 fand man seinen Grabstein inmitten eines Schutthaufens.
Rittmeister Alberti aus dem 10. Dragonerregiment; Carl Bernoth aus Insterburg– Gastwirt und Hotelier, Eigentümer des Hotels Deutsches Haus; Julius Butschkow – Gastwirt und Postmeister;; Ottomar Dromtra Senior – Bankier und Brauereibesitzer, Ottomar Dromtra; Gustav Eschholz – Kolonialwarenhändler und Stadtrat; Friedrich Feldheim und Wilhelm Sperl – Mühlenbesitzer; Carl Gauer – Besitzer der Seifensiederei am Markt; Reinhold Hesse – Besitzer der Drogerie am Markt; Ludwig Herbst – Gastwirt, Magistratsmitglied; Otto Naujack – Fleischmeister und Bauunternehmer; Besitzer von Zigelei in der Eisenbahn-Str. und Fleischerei in Ober-Str. 19; Allensteins Hauptbauunternehmer; In seinem Haus in der Kaiser-str. 3 (heute Erwina Kruka 3) befindet sich das städtische Kulturzentrum. Johann Paradowski –Ziegelbrenner; Julius Rautenberg – Bauunternehmer, in einem von seinen Häusern befindet sich heute das Hotel Diplomat in Allenstein; Hermann Schoeneberg – Kolonialwarenhändler; Karl Ludwig Schwartz – Direktor des Kreisgerichtes; Dr. Adolf Gottlob Sonntag – Arzt; Wilhelm Starck – Kupfermeister; Arnold Stöhr – Mauermeister; Vizefeldwebel Thomas aus dem Ostpreußischen Schützen-Bataillon Nr. 1; Richard Wichura – Weinhändler, Gastwirt und Hotelier; Julius Wisutzki – Zahnarzt; Eduard Wolfram – Gründer der Maschinenfabrik und Eisengießerei
Braumeister: Familie Bohrisch, Fam. Boessau, Fam. Glomb; Eisenbahnangestellte und ihre Familien: Kolberg, Martha Peschel, Grass, Minna Tatzlaff, Julius Kownatzki, Gustav Sterkel, W. Heintz, Paul Berger – Gastwirt aus Hauptbahnhof; Forstwirte: Johann Daniel, Leopold Christian Hahn Hoteliers: Wilhelm Chmielewski, Richard Buchhorn.